Auswertung der faunistischen Ãœbersichtserfassung und Bewertung zum Bauvorhaben Worms
Auswertung der faunistischen Übersichtserfassung und Bewertung zum
Bauvorhaben Worms – Am See vom Juli 2006
(Der Fachbeitrag soll im Auftrag der Profecto GmbH, Bahnhofstr. 28, 67547 Worms,
erstellt worden sein. Bearbeiter: Michael Höllgärtner, Ludwigstr. 6, 76751 Jockgrim)
Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens WEI 7 „Am See“ fand am 11.01.2006 bei
der Stadtverwaltung Worms ein Scoping-Termin statt. „Als wichtigstes Ergebnis war
die Forderung nach Fachgutachten bezüglich Immissionen, Boden und Fauna
festzuhalten“, vgl. Umweltbericht vom 25.05.2010.
Vom 19.07.2010 bis einschließlich 20.08.2010 lag der Bebauungsplanentwurf WEI 7
mit der dazugehörigen Begründung und weiteren Unterlagen öffentlich – Änderung
des Aufstellungsbeschlusses und Beschluß zur öffentlichen Auslegung - im Rathaus
Worms aus. Bei den Unterlagen befand sich auch die faunistische
Übersichtserfassung und Bewertung.
Diese habe ich im Januar 2011 ausgewertet:
Vom Entwicklungsträger und der Stadt Worms wird diese Unterlage als
Fachgutachten bezeichnet. Das ist nicht zutreffend!
Aufgrund des internationalen Naturschutzrechts (FFH-Richtlinie, Vogelschutz-
Richtlinie) und einschlägiger Gerichtsurteile des europäischen Gerichtshofs und
Bundesverwaltungsgerichts sind bei allen Infrastrukturvorhaben spezielle
artenschutzrechtliche Prüfungen (saP) erforderlich, um die Erfordernisse des
Artenschutzrechts zu behandeln. Die Aufgabenstellung, die rechtlichen Grundlagen,
das empfohlene methodische Vorgehen und die Begriffsbestimmungen für eine saP
richten sich dabei nach den Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes.
Der hier vorliegende Fachbeitrag erfüllt keineswegs die Anforderungen und
Voraussetzungen eines Fachgutachtens, vgl. beigefügte Mustergliederung,
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung vom Mai 2009.
Die faunistische Untersuchung ist bereits ab dem Deckblatt nicht als Fachgutachten
ausgewiesen. Es fehlen eingangs vor allem Anlass, Aufgabenstellung (Bebauung
mit Wohnhäusern) und Beschreibung des Untersuchungsgebiets. Mehrmals wird der
Begriff Plangebiet Fachmarkt verwendet, vgl. S. 8, 17, 18,19. Über das tatsächliche
Bauvorhaben wurde der Bearbeiter im Unklaren gelassen.
Auf Seite 6 und 16 wird angegeben: „Der Grünspecht brütet in den alten
Obstbaumbeständen nördlich des Plangebietes…..“. In der Abbildung Luftbild auf
Seite 24 wird sein Vorkommen im etwa 12.500 qm großen Biotop „Wäldchen“
unrichtig aufgeführt, weit entfernt vom Brutplatz.
Das gleiche gilt für den Brutplatz der Turteltaube. Auf Seite 17 wird angegeben: „Der
Brutplatz der Turteltaube liegt in den Gebüschen und Vorwaldbereichen im Bereich
des Backsteingebäudes und westlich der Hauptzufahrt zum Plangebiet (Rolltor) in
einem Bereich mit Holunder- und Weidengebüsch. Backsteingebäude und Rolltor
befinden sich im zentralen Bereich (Mitte) des Plangebiets. Brutplatz bzw.
Vorkommen, die sich ebenfalls weit entfernt am alten Einfahrtsbereich befinden,
werden fälschlich in der Abbildung auf Seite 24 im Biotop kartiert.
Im zentralen Bereich wurden vom Bearbeiter Erdkröten gefunden und zwar umfasst
der besiedelte Bereich „die Gehölzbestände im Randbereich zur bestehenden
Bebauung am angrenzenden Kiessee“, vgl. S. 19. „Die Landhabitate umfassen
jedoch die umliegenden Gehölzflächen und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die
angrenzenden Gartenflächen der bestehenden Bebauung am Kiessee“, vgl. Seite 11.
Gemeint mit dem Habitat „umliegende Gehölzflächen“ ist das Biotop „Wäldchen“. In
der Abbildung auf Seite 24 werden die Erdkröten im westlichen Randbereich des
zentralen Gebiets erfasst, daran schließt sich das Biotop an. Demnach ist davon
auszugehen, dass weitere Erdkröten im Biotop leben.
Auffallend ist, dass im Fachbeitrag vom Bearbeiter nirgendwo – mit einer Ausnahme
und zwar des Pirolbrutplatzes (Robinien) - explizit auf das Biotop hingewiesen wird;
denn der westliche Bereich ist ein älterer Gehölzbestand der sich über die Jahre zu
einem wertvollen Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten entwickelt hat. Es wurde
im landesweiten Biotopkataster Rheinland-Pfalz im Jahr 2006 als schutzwürdiges
Biotop (Biotoptyp „Feldgehölz“ mit gesellschaftstypischer Artenkombination sowie
Altholz, Biotop mit lokaler Bedeutung) erfasst, vgl. Schreiben der SGD Süd vom
26.04.2007. Bereits in der Beschlussvorlage zum Bebauungsplanverfahren WEI 7
der Stadtverwaltung Worms vom 19.11.2005 wurde diese Fläche als Biotop
bezeichnet.
Mit dem Brutplatz des Pirols und den alten Robinien bezieht der Bearbeiter – wie
auch beim Grünspecht – das Umfeld des ihm bezeichneten Gebiets (zentraler
Bereich und Ackerfläche) mit ein. Auf Seite 5 führt er aus: „Das Plangebiet „Am See“
stellt in Teilflächen einen Lebensraum für drei bestandsgefährdete Vogelarten dar.
Hierbei brütet nur eine Art zentral im Gebiet“ (gemeint ist damit die Turteltaube),
„während eine weitere Art im Randbereich brütet“ (die Dorngrasmücke) „und die
dritte Art das Gebiet nur als Nahrungsraum aufsucht“ (der Grünspecht).
„Die übrigen Arten konzentrieren sich im Umfeld der Altbaumbestände, z.B. in den
Gärten der Backsteinhäuser am Gebietsrand und bei den alten Robinien und
Pappelbeständen“ (hier der Pirol). Der Pirol wird demnach vom Bearbeiter als nicht
im Plangebiet lebend angesehen, obwohl er im Biotop seinen Brutplatz hat!
Auf Seite 7 ist die Dorngrasmücke als Brutvogel am Rand der großen Ackerfläche
ausgewiesen. „Das zentrale, stärker verbuschte Gebiet ist von der Art nicht
besiedelt“. Versäumt bzw. nicht erwähnt wurde, ob die Dorngrasmücke im Biotop
(Feldgehölz) ihren Lebensraum hat, was der Fall ist, da sie - neben vielen anderen
streng geschützten Arten - im Biotop von Anwohnern gesichtet wurde.
Am Ostrand der Ackerflächen wurden vom Bearbeiter Zauneidechsen
nachgewiesen. Er verneint eine Besiedlung im zentralen Bereich, führt aber nicht an,
ob Zauneidechsen im Biotop gesehen wurden, vgl. S. 9 und 10. Auf Seite 18 stellte
der Bearbeiter fest: “Bei den Erfassungen zeigte sich jedoch, dass an dem östlich an
das Gebiet angrenzenden Bahndamm weitere Vorkommen bestehen, deren
Populationsgröße bei mindestens 50-100 Tieren liegt“.
Zauneidechsen sind sehr mobil und wandern bis zu 4 km pro Jahr. Ihren
Lebensraum nur auf den angrenzenden Bahndamm und die Böschungen zu
beschränken, ist fachlich absolut unhaltbar. Die Aufnahmen bzw. Fotos der
Zauneidechsen auf der Nachbarschaftsmauer im Wäldchen belegen das Vorkommen
dieser streng geschützten Art nach BArtSchV und FFH-Richtlinie, Anh. IV.
Inzwischen konnten in 2011 weitere Zauneidechsen fotografiert werden!
Unter „Habitatstrukturen im Untersuchungsraum“, vgl. S, 8, sowie
„Gesamteinschätzung“, S. 21, fehlen jegliche Angaben – außer die
Robinienbestände im Umfeld (!) s.o. – zum Biotop. Das steht im Widerspruch zum
schutzwürdigen Charakter des Feldgehölzes und ist ein weiterer Beleg dafür, dass
das Wäldchen – wie auch die Gebäude (innen) – nicht untersucht wurden, vgl. auch
Schreiben an die SGD Süd vom 16.11.2011.
Die ursprünglichen Brutplätze (s.o.) des Grünspechts und der Turteltaube sind nicht
richtig kartiert, vgl. Abbildung S. 24. Sie tauchen plötzlich im Wäldchen (Biotop) auf.
Fazit: Der westliche Bereich des Plangebiets wurde ganz eindeutig nicht untersucht,
obwohl die Kartierung auf den ersten Blick dazu verleitet, auch dort von einer
artenschutzrechtlichen Erfassung auszugehen.
Worms, 4. Januar 2012
Bodo Ernst