Wormser Zeitung 25.01.2013

 

„Vertrag mit null Risiko für die Stadt“

Von Susanne Müller

 

Stadtrat votiert für städtebaulichen Kontrakt mit „Profecto“ / Grüne, FWG/Bürgerforum und FDP lehnen Bauvorhaben weiter ab

Einen Bebauungsplan für das Areal am See „WEI 7“ gibt es noch nicht. Das Baugebiet ist seit Jahren in der Diskussion, wurde überhaupt erst gegen die Stimmen von Grünen und FWG/Bürgerforum beschlossen. Anwohner wehren sich bis heute dagegen, es gibt Streit um Gutachten, um Tiere, die dort leben oder auch nicht, um die Zerstörung von Biotop-Flächen - ob hier überhaupt eine Weiterentwicklung stattfinden soll.

Kein Bebauungsplan

Nun beschloss der Stadtrat vor diesem Hintergrund auf seiner jüngsten Sitzung dennoch mehrheitlich - gegen die Stimmen von FWG/Bürgerforum, Grüne und FDP sowie bei zwei Enthaltungen-, dass die Stadt mit der Firma „Profecto GmbH“ einen städtebaulichen Vertrag abschließen soll. Und der hat es in sich. In dem Vertrag ist festgelegt, dass der Investor das Gebiet auf eigene Kosten entwickeln muss: „Alle entstehenden Kosten sind durch den Investor selbst zu tragen.“ Die Maßnahmen zum Natur- und Artenschutz werden mit der städtischen Abteilung Umweltschutz abgestimmt und vertraglich festgelegt. Der Investor darf außerdem, bis der Bebauungsplan nach einem Normenkontrollverfahren Rechtskraft erlangt hat, „keine Maßnahmen zur Umsetzung dieses Vertrages durchführen“. Nur Abrissarbeiten der Gebäude auf dem ehemaligen Gewerbegelände sind erlaubt - und da hier ein neuerliches Gutachten zum Fledermausvorkommen nicht ausgeschlossen ist, müssen diese Maßnahmen von einem Fachgutachter begleitet werden.

Oberbürgermeister Michael Kissel betonte, dass der Vertrag alle Risiken von der Stadt nähme, sie würden komplett auf den Investor verlagert. Der Vertrag müsse auf jeden Fall vor der Rechtskraft eines Bebauungsvertrags unterzeichnet werden, da im Nachhinein der vorliegende Text so nicht mehr durchsetzbar sei. Diese Auffassung unterstütze auch CDU-Fraktionschef Dr. Klaus Karlin. Die Stadt habe durch diesen Vertrag ein Risiko, das „gleich null“ sei.

Würde der städtebauliche Vertrag erst nach einem gültigen Bebauungsplan beschlossen, wäre die Umwälzung aller Kosten auf den Investor nicht mehr erreichbar. So seien etwa nach dem Gesetz mindestens zehn Prozent der Kosten von der Stadt zu tragen. Und: Die Umsetzung des städtebaulichen Vertrages sei eng verbunden mit einem Bebauungsplan: „Beschließen wir keinen, kann der Vertrag mit Profecto nicht umgesetzt werden.“ OB Kissel sowie der CDU-Fraktionschef hatten dies klargestellt vor dem Hintergrund, dass Kurt Lauer für die Fraktion der Grünen beantragt hatte, die Entscheidung über den städtebaulichen Vertrag für das Gebiet WEI 7 zu vertagen, bis der Bebauungsplan Rechtskraft erlangt habe.

Der Grünen-Fraktionschef zog nach diesen Informationen aber den Antrag zurück - blieb aber bei der grundsätzlichen Ablehnung, das Gebiet am See überhaupt weiter zu bebauen.

Eine weitere Bebauung in diesem Gebiet widerspreche allem, was die Stadt tun wolle. Zwar sei es Ziel, die Innen- einer Außenentwicklung vorzuziehen, aber es gebe hierfür wesentlich geeignetere Flächen. Außerdem, so wiederholte er schon vielfach vorgebrachte Vorbehalte, sei es unverständlich, warum ein neues Wohngebiet an eine viel befahrene Bahntrasse gelegt werden solle. Ein weiteres Mal führte er auch die Nähe zum Gewerbegebiet ins Feld. Und: Noch immer nicht zufrieden war Lauer auch mit einem neuerlichen Artenschutzgutachten. Dies sei nur wenige Seiten stark und wenig aussagekräftig. Zu verdeutlichen suchte er auch, dass die Firma Profecto „nach unseren Recherchen“ kein zuverlässiger Partner sei, keine Erfahrung in solchen Erschließungen vorweisen könne. Seine Fraktion habe eine „Geschäftspartnerprüfung“ durchgeführt und dabei festgestellt, dass das Unternehmen eine Kreditwürdigkeit von gerade Mal 2500 Euro besitze.

„Eine Fehlentwicklung“

Karl Müller (FWG/Bürgerforum) bezeichnete ein Bauvorhaben „Am See“ erneut als städtebauliche Fehlentwicklung, Dr. Uwe Radmacher (FDP), der „Am See“ wohnt, sah sich nicht ausreichend informiert, da er das neuerliche Gutachten „nicht gesehen habe“.

Die Frage nach der Bonität des Unternehmens „Profecto“, sagte OB Kissel, sei „völlig irrelevant“. Sie stelle sich erst dann, wenn Baurecht bestehe, die Erschließung beginne erst dann, wenn das Gebiet vermarktet sei. Profecto werde sich wohl auch, wie andere Erschließungsfirmen, fachlichen Rat Externer hinzuziehen.

 

Seit Jahren wird um WEI 7 gestritten, Anwohner wollen es verhindern, das Gelände liegt brach - nun hat sich der Stadtrat mehrheitlich für einen städtebaulichen Vertrag mit „Profecto“ ausgesprochen.

Seit Jahren wird um WEI 7 gestritten, Anwohner wollen es verhindern, das Gelände liegt brach - nun hat sich der Stadtrat mehrheitlich für einen städtebaulichen Vertrag mit „Profecto“ ausgesprochen.

 

WEI7

Seit Jahren wird um das Baugebiet „Am See“ gestritten. Das Areal besteht aus Ackerflächen, einem Bereich, der inzwischen Biotop-Charakter hat, und auf einem Teil stehen Reste eines Gewerbes.

 

(Quelle: Wormser Zeitung)