DAS Wormser Stadtmagazin 08.02.2013

 

Zweifel bleiben
Wie steht es um die Bebauungspläne
„WEI7“ in Weinsheim am See?

Autor: Frank Fischer, Foto: privat










Während das Thema „geplantes Gewerbegebiet am Hohen Stein“ in den letzten Monaten eindeutig die Medien beherrschte, ist ein anderes Bebauungsthema, das ähnlich umstritten ist, ein wenig in denmedialen Hintergrund gerückt: WEI7 in Weinsheim am See, wo ein privater Investor neuen Wohnraum schaffen will. Unser Magazin hat zuletzt in der Ausgabe Januar 2011 ausführlich über einige Gründe berichtet, die gegen eine Zersiedelung in dem dortigen Gebiet sprechen. Danach war es ruhiger geworden, ehe Ende Januar 2013 wieder etwas Bewegung in die Sache gekommen ist, als der Stadtrat einen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor, der Profecto GmbH, abgesegnet hat.


Die Parallelen zwischen „Hoher Stein“ und „WEI7“ sind offensichtlich. Während die Gegner des geplanten Gewebegebietes am Hohen Stein gebetsmühlenartig immer wieder wiederholen, dass nicht 100, wie von der Stadt angegeben, sondern sogar 140 Hektar bestes Ackerland versiegelt und für alle Zeiten vernichtet werden sollen, gibt es auch hinsichtlich der geplanten Bebauung in Weinsheim am See offensichtlich unterschiedliche Zahlenwerke, die durch die Gegend geistern.

So berichtete die Wormser Zeitung am 6. Dezember 2012über eine Bebauung von 25 Häusern auf drei Hektar Fläche. Die Gegner von „WEI7“, eine ebenfalls sehr gut informierte Bürgerinitiative um den ebenso engagierten Bodo Ernst, der insgesamt 37 Familien angehören, hält dagegen, dass das geplante Baugebiet sogar 46.000 qm umfassen soll, wo auf 800 qm großen Bauflächen nicht 25, sondern rund 30 bis 35 sehr kostenaufwendige Häuser mit bis zu zwei Wohnungen entstehen sollen.Da das geplante Wohngebiet außerdem 25.000 qm Ackerboden und ein vom Land Rheinland-Pfalz als „lokal bedeutsames, schutzwürdiges Biotop“ eingestuftes Wäldchenvon ca. 11.000 qm enthält, haben auch die Wormser Grünen, ebenso wie die Umweltverbände NABU, BUND und POLLICHIA sowie der Fachbeirat für Naturschutz in ihren Einwendungen heftig gegen die Bebauungspläne protestiert und diese abgelehnt.

Zur Erklärung: Das geplante Baugebiet teilt sich in drei Bereiche. Der westliche Bereich hat sich zu einem schutzwürdigen Biotop entwickelt, wo alleine 36 potentielle Brutvogelarten und jede Menge streng geschützte Tierarten nach dem Naturschutzgesetz, wie die Zauneidechse, Erdkröte, der große Abendsegler oder die Zwergfledermaus, angetroffen wurden. Der mittlere Bereich des geplanten Wohngebietes wurde zuletzt als Schrottverwertungsplatz geführt und müsste auf Altlasten untersucht werden. Der östliche Bereich wäre mit 2,5 Hektar der flächenmäßig größte und wird derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Zudem ist die stark frequentierte Bahnstrecke Worms-Mannheim nicht weit entfernt, hier wurden Lärmbelästigungen zwischen 65 und 68 Dezibel gemessen. Genug Gründe also, die gegen eine Bebauung in „WEI7“ sprechen.

Wie solvent ist der Investor?
Weiterhin erregt Skepsis, dass das Gebiet nicht von der Stadt – bekanntlich fehlen Worms die hierfür erforderlichen Mittel – sondern privat von der Profecto GmbH erschlossenwerden soll. Warum ausgerechnet diese Firma, die zuvor noch nie im Erschließen von Wohngebieten in Erscheinung getreten ist, den Zuschlag erhalten hat, ist nicht näher bekannt. Freilich ist das Vertrauen der Projektgegner in ein Unternehmen, das nicht nur Neuling auf diesem Gebiet ist, sondern zudem erst am 16.08.2005 gegründet wurde, kurz bevor der Wormser Stadtrat am 21.09.2005 der Aufstellung eines Bebauungsplans zugestimmt hatte, nicht allzu groß. Laut elektronischem Bundesanzeiger findet man in der Bilanz von 2010 auf der Aktiva mit 86.769.- Euro (Anlagevermögen, Sachvermögen, Umlaufvermögen, Kassenbestand) einen Investor vor, der – vorsichtig ausgedrückt – ein wenig „schwach auf der Brust“ ist. Bei einem negativen Eigenkapital in Höhe von – 4.180,21 Euro könnte man nun wirklich nicht von einem potenten Investor sprechen.

Also doch die alte Geschichte raus kramen, dass die Firma Profecto von einem Geschäftsführer, dem Rechtsanwalt Dr. Zahn aus Monsheim, geführt wird, dem ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Oberbürgermeister Kissel nachgesagt wird? Das ist zunächst mal nichts Verwerfliches. Ein Geschmäckle bekommt die Sache erst dadurch, dass eine Bebauung in Weinsheim am See über Jahrzehnte hinweg von verschiedenen Gerichten abgewiesen wurde, zuletzt 1998 vom Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz. Auch Kissels Vorgänger, Gernot Fischer und Wilhelm Neuss, hatten während ihrer Amtszeit eine Bebauung abgelehnt, da sich der Stadtrat stets gegen die „Zersiedlung in einem Außengebiet der
Stadt“ ausgesprochen hatte – weit außerhalb des Vorortes Weinheim, wo noch nicht einmal eine Buslinie verkehrt.

Einwände der Anwohner
Erst nachdem Michael Kissel 2003 zum Oberbürgermeister gewählt wurde, rückte das Projekt „WEI7“ wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Und siehe da, plötzlich änderte sich auch die Sichtweise, was sogar dazu führte, dass der Wormser Stadtrat – wieder einmal dank der überwältigenden Mehrheit von SPD und CDU – am 30. Juni 2010 beschloss, den Flächennutzungsplan von „WEI7“ zu ändern und diesen zusammen mit dem Bebauungsentwurf öffentlich auszulegen, damit Bedenken und Einwände geltend gemacht werden können. In der Begründung zum Bebauungsplan führte die Stadt u.a. aus: „Das Gebiet wird sich zum Zeitpunkt der Umsetzung zum größten Teil im Eigentum eines privaten Entwicklungsträgers befinden, der die Erschließung und die Vermarktung der Bauplätze durchführen wird“. Diese Aussage wird jedoch von der Bürgerinitiative angezweifelt. Gemäß städtebaulichem Vertragsentwurf vom Dezember 2011 hätten vier Eigentümer des Gebietes bisher keine Zustimmung erteilt. Das ist besonders pikant, weil zwei Eigentümer Einwendungen gegen den Bebauungsplan erhoben haben. Eine weitere Eigentümerin, die zur Hälfte an dem großen Grundstück (Biotop) beteiligt ist, dort wo die Privatstraße durchgeführt werden soll, habe ebenfalls noch nicht zugestimmt. Sie dürfte besonders verstimmt sein, weil auf ihrem Grundstücksteil keine Häuser errichtet werden sollen und sie daher keinen großartigen finanziellen Nutzen erzielen würde.

Zweifel beim Haupt- und Finanzausschuss
Anscheinend war zwischenzeitlich auch die
Skepsis in den Reihen von Rot-Schwarz gewachsen, denn als der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Worms am 16.11.2011 und am 07.12.2011 gemeinsam mit dem Bauausschuss einen Beschluss fassen sollte, ob die Stadt einen städtebaulichen Vertrag mit der Projektfirma Profecto eingeht, kamen die Ausschussmitglieder in nicht öffentlichen Sitzungen zu dem Ergebnis, die Vorlage zum Erschließungsvertrag ohne Beschlussfassung zurück zu verweisen, da u.a. die Auskömmlichkeit der angegebenen Sicherheitsleistung (90.000 Euro) bezweifelt wurde. Zudem wurden die Seriosität der Firma Profecto sowie die angefertigten Artenschutzgutachten angezweifelt, so dass man zu dem abschließenden, einstimmigen Ergebnis kam: „Der Haupt- und Finanzausschuss und der Bauausschuss beschließen einstimmig, die Beschlussfassung zum städtebaulichen Vertrag WEI 7 „Am See“ zu vertagen sowie dem Projektentwickler und Investor den Auftrag zu erteilen, noch einmal eine vertiefende artenschutzrechtliche Untersuchung durchzuführen und vorzulegen. Spezielle Beachtung soll hierbei den Fledermäusen, Baumhöhlenbewohnern und Amphibien im gesamten Gebiet gelten“.

Stadtrat stimmt „risikolosem“
Vertrag mit Investor zu

Seitdem ist gut ein Jahr vergangen, in dem das Vertragswerk aufgrund der Bedenken gegenüber Investor Profecto nachgebessert wurde. In der Stadtratssitzung am 23. Januar 2013 wurde mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen, einen städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und Profecto abzuschließen – die FDP, Grüne und FWG Bürgerforum hatten dagegen votiert. Kurz gefasst ist in dem Vertrag festgelegt, dass der Investor das Gebiet auf eigene Rechnung erschließen und alle anfallenden Kosten tragen muss. Außerdem ist geregelt, dass der
Investor erst dann Maßnahmen zur Umsetzung des Vertrages ausführen darf, wenn der Bebauungsplan Rechtskraft erlangt hat und die Maßnahmen zum Naturschutz umgesetzt wurden. Wie OB Kissel weiter ausführte, sei die Bonität der Profecto GmbH „völlig irrelevant“, da sich diese Frage erst stelle, wenn Baurecht bestehen würde. Deshalb wurde auch die zuvor bemängelte Sicherheitsleistung für die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen für den Investor auf 99.000 Euro festgelegt, die in Form einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft durch ein Geldinstitut zu leisten ist. Oberflächlich betrachtet wurde das Risiko also nahezu vollständig auf Profecto übertragen. Da man aber u.a. einen ehemaligen Schrottplatz auf Altlasten hin untersuchen muss, könnten die Erschließungskosten leicht aus dem Ruder laufen und Profecto frühzeitig die Luft ausgehen. Kann man die Erschließungskosten dann auf einen neuen Investor, den man erst noch finden musste, umlegen? Oder haftet dann doch wieder die Stadt?

Da war doch noch was…
Ach ja, eine weitere Parallele zwischen der Bebauung von „WEI7“ in Weinsheim am See und dem geplanten Gewerbegebiet „Hoher Stein“ vor den Toren von Worms-Heppenheim gibt es dann doch noch – und zwar der Umgang mit den Gegnern der beiden Projekte, die nicht zu Unrecht kritisch beäugt werden. Während die Stadtführung im Umgang mit dem Bündnis „Hoher Stein“ seit Monaten kräftig die Denunzianten-Kelle schwingt, musste sich auch die Bürgerinitiative „WEI7“ kürzlich mit dem Investor, der Profecto GmbH, gerichtlich auseinandersetzen. In einem Presseartikel der Wormser Zeitung vom 17. Dezember 2011 hatte Gesch
äftsführer Dr. Zahn, der praktischerweise Anwalt ist, vollmundig eine Klage gegen den Sprecher der Bürgerinitiative, Bodo Ernst, angekündigt, zu der er gar nicht berechtigt gewesen wäre, da eine Normenkontrolle allenfalls von der Stadt, aber nicht von einem privaten Investor durchgeführt werden kann. Nichtsdestotrotz ließ Zahn in dem Schreiben nichts unversucht, die Bürgerinitiative einzuschüchtern und drohte Schadensersatzansprüche in sechsstelliger Höhe an, sollte es durch unberechtigte Klagen zu Verzögerungen in der Bauausführung kommen. Weiterhin unterstellte Zahn der BI, man habe ein „angeblich antifaunistisches Sondergutachten der Uni Mainz“ von zwei Studenten anfertigen lassen, „das mehr Vogelarten postuliere, als der Gutachter festgestellt hatte, wobei der Gutachter nur die Tierarten feststellte, die er vor Ort antraf und nicht die Überflieger, die sich in den Ausführungen der Studenten widerfanden“.

Tatsächlich standen die Verfasser des Gutachtens – Dr. Sven Trautmann und Dipl.-Biologin Julia Taubmann – kurz vor ihren Studienabschlüssen an der Uni Mainz und waren vom NABU aufgrund ihrer umfassenden Fachkenntnisse und von der Fachwelt anerkannten Arbeiten für die Untersuchungen empfohlen worden. Wegen einer anderen Aussage von Bodo Ernst am 02.12.11 in der WZ kam es sogar zu einer Verhandlung vor dem Wormser Amtsgericht: „Das faunistische Gutachten, das im Auftrag der Firma Profecto erstellt wurde, hat ein Drittel des Bau- und Plangebietes überhaupt nicht umfasst und es sind keine Untersuchungen im Wäldchen vorgenommen worden.“ Aufgrund dieser vermeintlichen Falschaussage sah Dr. Zahn das Ansehen seiner Firma und des Gutachters
beschädigt. Da er aber dem Gericht die angekündigte Stellungnahme seines Gutachters nicht vorlegen konnte und zu einer Klage überhaupt nicht berechtigt war, wurde die Klage mit Urteil vom 21. Mai 2012 vom Amtsgericht Worms abgewiesen, und es ist aufgrund dessen davon auszugehen, dass die Aussage von Bodo Ernst der Wahrheit entsprach. Ob der kritisch beäugte Investor, die Profecto GmbH, dadurch mehr Vertrauen schafft, dass man Gegner der Bebauungspläne vor den Kadi zerrt, um dann mit Pauken und Trompeten zu verlieren, sei einmal dahingestellt.

(Quelle: DAS Wormser Stadtmagazin)